Was ist basische Ernährung?
Basische Ernährung ist eigentlich ein irreführender Begriff, denn es kann zweierlei damit gemeint sein:
- Eine Ernährung, die zu 100 Prozent aus Basenbildnern besteht, wie es bei basenfasten der Fall ist.
In diesem Fall handelt es sich nicht um eine Ernährungsform, sondern um eine Kur, um eine basenfasten Kur, die nur für eine bestimmte Zeit, meist ein bis drei Wochen gemacht wird. - Eine Ernährung, die zu 70 bis 80 Prozent aus Basenbildnern besteht.
Das ist die Ernährungsweise, die der schwedische Chemiker Ragnar Berg (1875-1956) 1911 entwickelt hat.
Er empfahl, mit der täglichen Nahrung 5 mal mehr Basenbildner als Säurebildner zu sich zu nehmen. Das entspricht einem Anteil von ca. 80 Prozent Basenbildner und nur etwa 20 Prozent Säurebildner. Daher hört und liest man in diesem Zusammenhang oft von der „80/20-Regel“.
Wenn wir daher von basischer Ernährung sprechen, dann wäre es zutreffender von basenreicher Ernährung zu sprechen.
Bei „basischer“ Ernährung geht es in erster Linie darum, darauf zu achten, überwiegend basische Lebensmittel zu verzehren - also Lebensmittel, die unser Körper zu Basen umbauen kann. Doch wie bestimmt man, ob ein Lebensmittel basisch oder sauer ist? Nach Remer und Manz (Remer T, Manz F.: Potential renal acid load of foods and its influence on urine pH. J Am Diet Assoc. 95, 7 (1995), S. 791-797) sind das die Lebensmittel, die einen negativen PRAL-Wert aufweisen.
Das sind in erster Linie pflanzliche Lebensmittel, die meisten Obst- und Gemüsesorten, Kartoffeln sowie Samen, viele Nüsse, Kräuter und Keimlinge. Daraus lassen sich leckere basische Rezepte zubereiten. Wichtig ist, dass Obst und Gemüse immer reif verzehrt wird, denn nur wenn sei reif sind, haben sie die optimale Menge an basenbildenden Mineralien und übrigens entfalten sie auch nur reif ihr volles Aroma.
Für eine gesunde Ernährung ist es sicher sehr wichtig, die PRAL-Werte zu berücksichtigen. Für die Säurewirkung eines Lebensmittels sind aber auch andere Inhaltstoffe verantwortlich. So ist bei vielen tierischen Lebensmitteln, aber auch bei Hülsenfrüchten und bei Kaffee der Gehalt an Purinen, die im menschlichen Organismus zu Harnsäure abgebaut werden, ausschlaggebend für die Säurewirkung. Purine werden allerdings in der PRAL-Formel nicht berücksichtigt, weil die daraus entstehende Harnsäure aus streng wissenschaftlicher Sicht nicht unmittelbar in die Säure-Basen-Bilanz einfließt. Erhöhte Harnsäure führt allerdings zu einer Stoffwechselstörung und stört damit auf Dauer auch die Säure-Basen-Bilanz.
Basenreiche Ernährung heißt: Es können auch 20 bis 30 Prozent Lebensmittel dabei sein, die positive PRAL-Werte aufweisen, also in Säuren umgebaut werden wie Fleisch, Fisch, Käse, Sahne, Brot, Nudeln, Kuchen und Alkohol.
Basenreich kann daher sein:
- Vegan
- Vegetarisch
- Mit Fisch
- Mit Fleisch
Hatten unsere Vorfahren eine saure oder eine basische Ernährung?
Mit computergestützten Methoden haben Wissenschaftler (Sebastian et al. 2002) untersucht, wie unsere Vorfahren sich ernährt haben in einer Zeit, als es noch keine Landwirtschaft gab. Die Ergebnisse sind frappierend: 87 % aller untersuchten frühzeitlichen Ernährungsformen waren basenüberschüssig. Die Geschichte zeichnet also einen historischen Wechsel von einst basenüberschüssiger Ernährung zu säureüberschüssiger Ernährung in der heutigen Zeit.
Natürlich haben unserer Vorfahren auch gejagt, aber der Erfolg beim Jagen war oft nicht groß genug, weshalb das Sammeln von wilden Pflanzen und Kräutern ertragreicher war. Doch mit der Zeit wurden die wild wachsenden, stark Basen bildenden pflanzlichen Lebensmittel unserer Vorfahren verdrängt und durch Getreide und nährstoffarme Lebensmittel mit hoher Energie-(Kalorien-)Dichte ersetzt. Es ist davon auszugehen, dass unsere genetische Ausstattung, die sich ja in Millionen von Jahren entwickelt hat, auf eine basenüberschüssige Ernährung abgestimmt ist und nicht auf eine säureüberschüssige.
Woher kommt die basische Ernährung?
Seit über hundert Jahren gibt und gab es immer wieder Ernährungsforscher, die sich mit der Auswirkung der Nahrung in Bezug auf Säure-und Basenwirkung beschäftigt haben. Der Stand der wissenschaftlichen Medizin war damals, dass die Bedeutung der Mineralstoffe gerade erkannt wurde – 1912 dann die Vitamine entdeckt wurden und man erforschte, in welchen Nahrungsmitteln welche Vitalstoffe enthalten sind. Einige Forscher beschäftigen sich damit, welche Auswirkungen der Säure- und Basenanteil der Nahrung auf Gesundheit und Krankheitsentstehung hat. Allein die Experimente, Untersuchungen und Selbstversuche von Ragnar Berg belegen vielfach, dass eine basenreiche Kost gesundheitserhaltend wirkt.
Ragnar Berg
Ragnar Berg, der Begründer der „Basentheorie“, widmete sein Leben der Forschung über den Einfluss der Nahrungsmittel auf den Säure-Basen-Haushalt und auf die Gesundheit des Menschen. Als Chemiker hatte er mit den zu seiner Zeit relativ neuen Säuren- und Basentheorien in der Chemie zu tun. Er kam zu Ansicht, dass alle mit der Nahrung zugeführten Nährstoffe nur dann optimal ausgenutzt werden können, wenn gleichzeitig ein Basenüberschuss zugeführt wird. Berg empfahl, täglich reichlich Obst und Gemüse zu essen, dazu als Hauptkohlenhydratlieferant die Kartoffel. Den Verzehr von Fleisch, Eiern, Getreide und Hülsenfrüchten dagegen empfahl er einzuschränken.
Interessanterweise war er selbst war kein Vegetarier und sagte, dass sowohl eine gemischte Kost als auch eine vegetarische Kost Basenüberschuss aufweisen könne. Berg trug sehr zur Aufwertung der Kartoffel als Grundnahrungsmittel in Deutschland bei.
Ragnar Berg wurde oft missverstanden, indem man ihm unterstellte, er würde eine drastische Einschränkung der Eiweißzufuhr empfehlen. Im Zentrum seiner Empfehlung stand aber der Basenüberschuss in der Nahrung, denn er ging davon aus, dass Eiweiße besser abgebaut werden, wenn die übrige Nahrung basenüberschüssig ist. Heute wissen wir, dass der Darmsaft im Dünndarm, der die Eiweiß spaltenden Enzyme enthält – basisch sein muss, um optimal arbeiten zu können.
William Howard Hay
Interessant ist auch, dass der New Yorker Arzt William Howard Hay, der 1907 die Trennkost entwickelt hat, auch basenüberschüssige Kost bevorzugt hat. Er ging davon aus, dass die Ursache aller Zivilisationskrankheiten in einer Übersäuerung des Körpers liege. Seiner Theorie zufolge wird sie durch die Kombination von Kohlenhydraten und Eiweiß in der gleichen Mahlzeit hervorgerufen, was in Folge zu Gärungsprozessen im Dünndarm führt. Seine Trennkost soll den Säure-Basen-Haushalt regulieren. Die 80/20-Regel von Ragnar Berg soll das gleiche bewirken.
Man könnte jetzt denken, Ragnar Berg und William Hay haben sich persönlich gekannt und ihre Forschungen und Theorien ausgetauscht. Es gibt eine interessante Doktorarbeit über Ragnar Berg von Christian Rummel, die Ragnar Bergs Leben und Werk im Detail beschreibt, in der Christian Rummel auch dieser Frage lange nachgegangen ist und er fand keinen Hinweis darauf. Das heißt, die Basentheorie ist gleichzeitig in Deutschland und den USA entstanden.
Dr. Friedrich Sander
In Deutschland hatte die basenüberschüssige Kost seit dem 1. Weltkrieg lebhafte Resonanz gefunden. In allen Schichten war es seit ca. 1920 populär, die Ernährung umzustellen, um ein Säure-Basen-Gleichgewicht zu erreichen. Hierzu wurden die 1913 erstellten Tabellen von Ragnar Berg sowohl von Laien als auch von Ärzten eingesetzt. Nach Ragnar Bergs Tod 1956 geriet diese Ernährungsform wieder etwas in Vergessenheit, obwohl Forscher wie Dr. Friedrich Sander gut fundierte Belege für chronische Übersäuerung und den Effekt der Ernährung geliefert haben. Dazu liegt uns auch aus dem Jahr 2014 eine Masterarbeit einer Ernährungswissenschaftlerin vor (Herting, Iris: Bestimmung des Säure-Basen-Status bei Mischkost und vegetarischer Ernährung. Martin-Luther-Universität Halle Wittenberg)
Prof. Dr. Remer und Prof. Dr. Manz
Die Professoren Dr. Friedrich Manz und Dr. Thomas Remer haben 1995 neue Tabellen zur Bewertung der Säure- und Basenwirkung von Lebensmittel nach einer neuen Formel errechnet. Professor Manz ist inzwischen verstorben und Professor Remer ist am Forschungsinstitut für Kinderernährung in Dortmund (FKE) tätig und leitete und leitet dort mehrere Studien, häufig zum Säure-Basen-Haushalt. So hat er zum Thema Kochsalz und Säure-Basen-Haushalt, zu den Auswirkungen von Stresshormonen und Säurebildner in der Nahrung sowie Bluthochdruck und säurelastige Ernährung geforscht.
Prof. Jürgen Vormann
In Zusammenarbeit mit mit dem Institut für Ernährung und Prävention (IPEV) in Ismaning unter der Leitung von Prof. Jürgen Vormann wurden in den vergangenen Jahren zahlreiche Studienmaterialien zusammengetragen, die einer Obst- und Gemüse betonten Kost eine neue zentrale, Bedeutung geben. Prof. Vormann gründete das Institut 1999 und rief darüber die ersten Säure-Basen-Symposien mit weltweit anerkannten Wissenschaftlern ins Leben.
Wirkt basische Ernährung positiv auf die Gesundheit?
Dass Obst und Gemüse für unseren Körper gesund sind, ist unbestritten - dass es eine Auswirkung auf den Säure-Basen-Haushalt hat, bezweifeln viele Wissenschaftler, weil es zwar viel diskutiert, aber immer noch zu wenig systematisch erforscht ist.
Der Säure-Basen-Haushalt erfüllt im Organismus lebenswichtige Funktionen und ist, wie auch die Organe, auf die Zufuhr von Vitalstoffen angewiesen. Obwohl der Säure-Basen-Haushalt durch seine vielfältigen Regulierungsmöglichkeiten Ernährungssünden ausgleichen kann, gibt es Grenzen, die seine Puffersysteme erschöpfen. Das Problem, das sich in den westlichen Industrieländern stellt, ist, dass die „normale“ Ernährung, die von mir so genannte „Zivilisationskost“ unverhältnismäßig viele Säurebildner enthält und damit über kurz oder lang die Pufferreserven erschöpft. Praktische Erfahrungen mit zahlreichen Patienten und gesunden Menschen zeigen, dass eine Umstellung auf basischere Ernährung sich positiv auf die Gesundheit und das Wohlbefinden auswirkt.
Zahlreiche Forschungsarbeiten und Studien zum Thema Säure-Basen-Haushalt kommen zum Ergebnis, dass eine Ernährung mit einer niedrigen Säurelast vielfältige positive Auswirkungen auf die Gesundheit erwarten lässt, insbesondere auf den Knochenstoffwechsel, auf die Nieren, auf den Blutdruck und auf Herz-Kreislauferkrankungen.