Wer kennt das: Man hat seinen Morgenurin mit einem pH-Messstreifen getestet und das Ergebnis ist: sauer. Was für ein Schreck, der gar nicht nötig wäre. Im Gegenteil – es ist sogar gut so!
Doch auch umgekehrt habe ich im Laufe der Jahre viele Patienten erlebt, die mir stolz erzählt haben, dass ihr Morgenurin basisch ist und sie deshalb keine basenfasten Kur brauchen. Und auch das stimmt nicht. Aber was sagt dann der Morgenurin aus und sollte ich ihn überhaupt messen?
Wie sagt man so schön: Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer… genau. Und einmal Urinmessen sagt wenig aus.
1. Wenn der Morgenurin sauer ist
Wenn man sich etwas mehr mit den Stoffwechselprozessen in unserem Körper beschäftigt, dann wird schnell klar, dass der Morgenurin idealerweise sauer sein sollte. In der Nacht ist unser Körper besonders intensiv mit Auf-, Ab- und Umbauprozessen im Stoffwechsel beschäftigt und produziert dadurch zahlreiche Abfallstoffe – Stoffwechselendprodukte, die der Körper wieder ausscheiden muss. Laut Professor Dr. Thomas Remer von der Uni Dortmund, ein Forscher, der sich seit fast 30 Jahren mit dem Säure-Basen-Haushalt beschäftigt, sind das zu über 95 % Säuren. Und die werden im Normalfall mit dem Morgenurin ausgeschieden. Na ja, nicht alle, denn der größte Teil der Säuren – nahezu 99 % werden abgepuffert, also an Basen gebunden, damit sie dem Körper nicht schaden können und die Niere nicht überlastet wird. Was wir da mit dem Morgenurin messen, ist somit nur der Blick auf die freien Säuren und sagt nichts über den Säure-Basen-Haushalt des Menschen aus. Um darüber etwas erfahren zu können, muss man sich die abgepufferten Säuren anschauen. Das ist sehr komplex, denn die Beurteilung ist nicht über eine einzige Messung, sondern über das Zusammenspiel verschiedener Faktoren möglich und erfordert einen tieferen Einblick in die Stoffwechselvorgänge.
Trotzdem ist es interessant, den Morgenurin zu messen. Ein Mensch mit einem gesunden Stoffwechsel sollte einen sauren Morgenurin haben. Ein „gesunder“ Morgenurin sollte – je nach Stress, Uhrzeit und Essen am Vorabend bei pH 5,5 bis 6,5 liegen. Seine Farbe sollte übrigens hellgelb sein, er sollte klar und ohne Flocken sein und auch der Geruch sagt einiges aus: Gesunder Urin hat einen leichten „Fleischbrühe-Geruch“.
Ist der Morgenurin basisch, dann kann das mehrere Ursachen haben:
- Häufiges Wasserlassen in der Nacht wegen Blasen-oder Prostataschwäche oder weil man beim basenfasten zu viel getrunken hat und es nicht gewöhnt ist. Da wurden die Säuren während der Nacht schon ausgeschieden.
- Medikamenteneinnahme – auch Basenpulver
- Störungen bei der Ausscheidung verbrauchter saurer Stoffwechselprodukte. Hierfür gibt es verschiedene Ursachen, auch Stoffwechselerkrankungen und Regulationsstörungen.
Ein basischer Morgenurin ist also weder Grund zur Freude, noch Grund zur Panik. Es ist eine „Augenblicksaufnahme“ des pH-Wertes und kann nur in Verbindung mit den Umständen und mit mehreren Messungen sinnvoll gedeutet werden.
2. Urin pH-Wert im Tagesverlauf
Misst man den Urin-pH-Wert 5 bis 6 mal pro Tag zu bestimmten Zeiten mit einem Indikatorpapier, dann erhält man ein Urin-pH-Tagesprofil. Es ist leicht zu Hause durchzuführen und preiswert. Sie benötigen lediglich etwas Indikatorpapier (gibt es in der Apotheke) und einen Vordruck, den Sie hier kostenlos downloaden können. Wenn Sie bei 5 bis 6 Messungen pro Tag ein bis zwei deutlich basischere Werte haben, dann ergibt Ihr Tagesprofil ein bis zwei Anstiege – eine lebendige Kurve, wie sie in einem gesunden Körper sein sollte.

Foto aus dem Buch basenfasten von Sabine Wacker, GU-Verlag.
Der Urin-pH ist im Laufe des Tages vielen Einflüssen ausgesetzt. Diese „Ideale Kurve“ ist daher nur ein Anhaltspunkt. Entscheidend für die Beurteilung ist, dass die Kurve lebendig ist und sich keine gerade Linie ergibt.
Wenn Sie über den Tag verteilt und mehrere Tage in Folge ausschließlich saure oder ausschließlich basische Werte haben, dann ist dies ein Hinweis auf eine Regulationsstörung, die wiederum verschiedene Ursachen haben kann.
Ausschließlich basische Werte zeigen, dass zu viele Säuren im Körper zurückgehalten werden und umgekehrt, zu viele Basen ausgeschieden werden.
Ausschließlich saure Werte zeigen, dass zu viele Säuren ausgeschieden werden, was ich schon oft in Verbindung mit jahrelangem Schmerzmittelgebrauch beobachtet habe.
Zu sagen, man sei dann übersäuert, trifft es nicht. Zu sagen, die natürlichen Regulationsmechanismen sind gestört, ist besser.
In beiden Fällen ist es sinnvoll, einen Arzt oder Heilpraktiker aufzusuchen, der sich mit diesen Themen auskennt.
3. Warum es trotzdem sinnvoll ist, den Urin-pH-Wert zu messen
Den pH-Wert im Urin über den Tag hinweg zu testen ist tatsächlich eine sinnvolle Sache. Allerdings sagt auch dieses Profil nichts darüber aus, ob man „übersäuert“ ist. Und leider versprechen viele „Experten“ ihren Kunden immer noch, dass sie damit den Säure-Basen-Status ermitteln könnten.
Dieses Profil zu erstellen liefert mir durchaus interessante und sehr wichtige Hinweise. Auf etwas, was eigentlich jeder weiß, aber wenige wirklich beachten. Das Tagesprofil zeigt mir, ob mein Körper regulationsfähig ist. Das heißt, ob er in der Lage ist, mit allen Einflüssen aus der Umwelt, auch aus der Ernährung, aber auch mit den Einflüssen aus dem eigenen Stoffwechsel und mit den emotionalen Geschehnissen im Stoffwechsel klar zu kommen. Es gibt Forscher, die Interessantes beobachtet haben. Üblicherweise ist der Urin-pH-Wert nach einer Mahlzeit für einige Stunden basisch, nach enormem Stress blieb er dagegen sauer. Das zeigt, dass nicht nur die Ernährung, sondern auch die emotionalen Einflüsse den pH-Wert schnell verändern können. Wenn Sie sich daher Ihr Urin-pH-Tagesprofil erstellen wollen, machen Sie sich bitte jeweils Bemerkungen dazu, welche Mahlzeiten Sie zu sich genommen haben, aber auch welche Besonderheiten es gab wie aufregende Gespräche, Stress, Hektik oder eine entspannte Atmosphäre und beobachten Sie diese Kurven über mehrere Tage. Durch diese Erkenntnisse können Sie mögliche „emotionale Säuretreiber“ erkennen und versuchen, diese aus Ihrem Leben ein Stück weit zu entfernen. Außerdem kann sich bei einer basenfasten-Kur oder einer Umstellung hin zu einer basenreichen Ernährung die Regulationsfähigkeit des Körpers zügig verbessern. Die kann durch einen Vergleich von mehreren Urin-pH-Tagesprofilen vor und nach einer Kur bzw. während einer dauerhaften Ernährungsumstellung sichtbar gemacht werden kann.
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Foto pH-Streifen: Adobe Stock, © Björn Wylezich, #113707079
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